Dienstag, 20. Mai 2008

Franz Kafka - Aphorismen

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Von einem gewissen Punkt an gibt es keine Rückkehr mehr. Dieser Punkt ist zu erreichen.

Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben. Dieses Leben scheint unerträglich, ein anderes unerreichbar. Man schämt sich nicht mehr, sterben zu wollen; man bittet aus der alten Zelle, die man haßt, in eine neue gebracht zu werden, die man erst hassen lernen wird. Ein Rest von Glauben wirkt dabei mit, während des Transportes werde zufällig der Herr durch den Gang kommen, den Gefangenen ansehn und sagen: "Diesen sollt Ihr nicht wieder einsperren. Er kommt zu mir. "

Ein Käfig ging einen Vogel suchen.

Laß Dich vom Bösen nicht glauben machen, Du könntest vor ihm Geheimnisse haben.

Leoparden brechen in den Tempel ein und saufen die Opferkrüge leer; das wiederholt sich immer wieder; schließlich kann man es vorausberechnen und es wird ein Teil der Ceremonie.

Du bist die Aufgabe. Kein Schüler weit und breit.

Das Glück begreifen, daß der Boden, auf dem Du stehst, nicht größer sein kann, als die zwei Füße ihn bedecken.

Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.

Das Negative zu tun, ist uns noch auferlegt, das Positive ist uns schon gegeben.

Die Märtyrer unterschätzen den Leib nicht, sie lassen ihn auf dem Kreuz erhöhen, darin sind sie mit ihren Gegnern einig.

Früher begriff ich nicht, warum ich auf meine Frage keine Antwort bekam, heute begreife ich nicht, wie ich glauben konnte fragen zu können. Aber ich glaubte ja gar nicht, ich fragte nur.

Noch spielen die Jagdhunde im Hof, aber das Wild entgeht ihnen nicht, so sehr es jetzt schon durch die Wälder jagt.

Das Wort "sein" bedeutet im Deutschen beides: Dasein und Ihm-gehören.

Der Mensch kann nicht leben ohne ein dauerndes Vertrauen zu etwas Unzerstörbarem in sich, wobei sowohl das Unzerstörbare als auch das Vertrauen ihm dauernd verborgen bleiben können.

Es bedurfte der Vermittlung der Schlange: das Böse kann den Menschen verführen, aber nicht Mensch werden.

Im Kampf zwischen Dir und der Welt sekundiere der Welt.

Es gibt Fragen, über die wir nicht hinwegkommen könnten, wenn wir nicht von Natur aus von ihnen befreit wären.

Die Sprache kann für alles außerhalb der sinnlichen Welt nur andeutungsweise, aber niemals auch nur annähernd vergleichsweise gebraucht werden, da sie entsprechend der sinnlichen Welt nur vom Besitz und seinen Beziehungen handelt.

Wer innerhalb der Welt seinen Nächsten liebt tut nicht mehr und nicht weniger Unrecht als wer innerhalb der Welt sich selbst liebt. Es bliebe nur die Frage, ob das erstere möglich ist.

Theoretisch gibt es eine vollkommene Glücksmöglichkeit: An das Unzerstörbare in sich glauben und nicht zu ihm streben.

Wenn das, was im Paradies zerstört worden sein soll, zerstörbar war, dann war es nicht entscheidend; war es aber unzerstörbar, dann leben wir in einem falschen Glauben.

Warum klagen wir wegen des Sündenfalls? Nicht seinetwegen sind wir aus dem Paradiese vertrieben worden, sondern wegen des Baumes des Lebens, damit wir nicht von ihm essen.

Wir wurden geschaffen, um im Paradies zu leben, das Paradies war bestimmt uns zu dienen. Unsere Bestimmung ist geändert worden; daß dies auch mit der Bestimmung des Paradieses geschehen wäre, wird nicht gesagt.

Ein Glaube wie ein Fallbeil, so schwer, so leicht.

Es ist nicht notwendig, daß Du aus dem Haus gehst. Bleib bei Deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich Dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor Dir winden.

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